Thema: Welt, Eintrag 7, 30.06.2004
Ich sehe so viele, die stehen geblieben sind, aus
welchen Gründen auch immer. Wobei es genau die
Gründe sind, die mich interessieren. Wie und wohin
sollte ein halb verhungertes Waisenkind in Ruanda sich
entwickeln?
Wenn ich mir z.B. meinen armen alten Vater anschaue,
der vor zehn Jahren mit fast 90 gestorben ist. Bei ihm
habe ich nie irgendeine Entwicklung wahrgenommen. Der
war schon tot im Leben. Er war erstarrt.
Die Frage ist, wohin man blickt - und mit welchen Augen
und Kriterien. Die Kriterien, die man an sich selbst
in Bezug auf "Entwicklung" legt, stimmen nicht
immer mit jenen der anderen überein. Diese Kriterien
sind oft sehr subjektive Werte, auch wenn sich viele
darauf einigen. Mit Spiritualität haben sie oft
nichts zu tun, eher mit sozialer Entwicklung, Intelligenz,
Kommunikation, emotionaler Reife usw. - das ist einfach
nur ein Spielfeld und eine sehr persönliche Angelegenheit.
"Verurteile niemanden, bevor du in seinen Schuhen
gestanden bist", sagt man.
D.h., was von außen gesehen wird, muss nicht
unbedingt dem inneren Erleben entsprechen.
Den größten Entwicklungsschritt machte dein
Vater wohl im Tod. Wielange er vor diesem Schritt vorzog,
zu pausieren, wissen wir nicht. Er hatte ohnehin alle
Zeit der Ewigkeit.