Thema: Ich, Eintrag 4, 20.06.2004
Ich bin mir meiner Gedanken bewusst, meiner Gefühle,
meiner Handlungen, meiner Probleme, aber irgendwie nicht
meiner selbst. Vielleicht könnte man auch sagen,
dass ich mich selbst zwischen all diesen Dingen eigentlich
gar nicht wahrnehme. Genaugenommen weiß ich in
diesem Zustand gar nicht, dass ich existiere, dass ich
bin. Ich weiß nur, dass die Gedanken, Gefühle
und vielen tausend Dinge dort draußen existieren.
Ich bin versunken, eigentlich selbstvergessen.
Ja, wunderbar. Das Selbst kann sich selbst an und für
sich nicht betrachten. Es ist der Betrachter selbst.
Ich nehme mich gewissermaßen selbst wahr,
indem ich meine Aufmerksamkeit auf mich richte. Es entsteht
dadurch das "Gefühl", dass ich bin, dass
ich existiere. Ich bemerke mich selbst. Es ist keineswegs
der Verlust eines Ichs, ich kann es nur nirgendwo dingfest
machen.
Ebenso perfekt. "Ich bin" ist dann Alles-was-ist,
ein persönliches identifiziertes 'Ich' kann nicht
gefunden werden (= Brücke zu Zustand 1).
Dadurch fühle ich mich im Augenblick geerdet
und zentriert, obwohl ich das Zentrum nicht lokalisieren
könnte.
Siehe oben. Wer soll das Zentrum lokalisieren, wenn
es das Zentrum selbst ist, das schaut ??
Es hat aber weder etwas mit Gedanken noch Gefühlen
zu tun, beschert mir auch kein Glücksgefühl
oder eine Extase.
Gedanken kommen und gehen - Gefühle kommen und
gehen. Selbst Zustände kommen und gehen. Das Zentrum
bleibt gleich. Nicht vorhanden und doch in der Mitte
(*g*). Glücksgefühle und Exstasen sind ebenfalls
etwas, was kommt und geht und kein Kriterium.
Nicht einmal ein tiefer Frieden, irgendein besonderes
Gefühl der Einheit mit anderen oder der Liebe kann
ich feststellen.
Ja, genaugenommen ist dort: nichts. Frieden, Einheit
und Liebe können aber Konsequenzen (Folgen) sein.
Wie gesagt, es ist absolut nichts Besonderes. Es
verändert auch nichts. Und doch besteht ein grundlegender
Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Zustand.
Für wen ??
Im Zusammenhang mit der Erleuchtung wird immer von
Selbstvergessenheit und Ego-Tod gesprochen.
Vergiss am Besten, was darüber gesprochen wird.
Hat dieser zweite Zustand etwas mit dem Erwachen
zu tun, oder ist er im Grunde ein Akt der Trennung,
weil ich die Aufmerksamkeit auf mich selbst richte und
mich dadurch gerade nicht vergesse?
Für manche ist dieser zweite Zustand erwachen
('zum Selbst'), für manch andere ist erst die Selbstvergessenheit
der 'natürliche Zustand'. Es ist vollkommen egal.
Zustände kommen und gehen, nichts ist höher
oder weiter dem anderen. Alles ist okay so, wie es gerade
ist. Es ist nicht mehr notwendig zu unterscheiden, und
das Leben wird sehr einfach.
Bei mir persönlich zum Beispiel ruht die Aufmerksamkeit
immer dann in sich selbst, wenn ich sonst nichts zu
tun habe. Sprich: Bin ich IN der Welt, bin ich sehr
selbstvergessen, verschwindet die Welt, bin nur mehr
ich (und manchmal nichtmal mehr das, eher: nur mehr
"Sein")
3. Zustand:.
Es gibt noch einen dritten Zustand, der mir vielleicht
fünfmal "passiert" ist, den ich aber
schon Jahre nicht mehr hatte, mich aber immer wieder
fragte, was das wohl war. Das erste Mal passierte es
auf einem Pissoir in Venedig. (Gott ist nicht wählerisch,
wenn es um die Plätze geht). Damals war ich ungefähr
zwölf. Dieser "Shift" geschah plötzlich
und hatte vage Ähnlichkeiten mit dem zweiten Zustand,
war nur viel intensiver und irgendwie ein wenig erschreckend,
dauerte vielleicht fünfzehn Sekunden und ebbte
dann ab. In diesem Zustand war ich mir plötzlich
ganz und gar fremd. Ich blickte auf meine Hände
und dann in den Spiegel und sah nur Hände und ein
Gesicht. Es war wie ein wildfremder Mensch, der mir
da entgegensah. Das Gefühl ist schwer zu beschreiben.
Ich war irgendwie perplex. Es war eher so wie: "Wow,
das bin ich ja gar nicht!" Wie gesagt, irgendwie
erschreckend. Aber auch hier kein tiefer Friede, Freude
oder Liebe. Und auch keine Einheit. Wie würdest
den Zustand einordnen?
Desidentifikation vom Körper und persönlichem
Ich.
4. Zustand:
"Glückseligkeit". Auch dieser Zustand
wird von manchen mit 'Erleuchtung' verwechselt (oder
manche haben diesen Begriff dafür verwendet). Ist
ein wunderbarer Zustand, keine Frage. Anhaftung daran
erzeugt Leid. Wie ein jeder Zustand ist er nicht dauerhaft.
Nicht, dass er abgelehnt werden müsste, aber zu
erkennen, dass das "Zentrum" jenseits aller
Zustände ist und der Wandel das einzig beständige,
fast so beständig wie das "Nichts", erzeugt
Frieden.
Ist Zustand vier letztlich die gleiche Form von
Versunkenheit, wie im "normalen" ersten Zustand?
Nur halt schöner?
Könnte man fast sagen. "Intensiver".
Besteht letztlich ein Unterschied ob ich sage: "Ich
bin die Gedanken" oder "Ich bin die Musik".
Letztlich nicht. "Ich bin" ist die (neutrale)
Konstante in beidem.
Ist nicht beides eine illusionäre Falschidentifikation?
Eigentlich gibt es keine 'richtige' Identifikation.
Wenn Identifikation geschieht, so what, wunderbar, so
ist das Leben. Wenn ich schreibe, bin ich das Schreiben.
Wenn ich denke, bin ich das Denken. Wenn ich koche,
bin ich das Kochen. Spiele ich Schach, dann bin ich
Schach. "Ich bin" die Konstante in all dem,
und diese Konstante hat keine (eigene) Substanz. Im
wesentlichen werde ich jeweils zum Objekt meiner Aufmerksamkeit.
Nicht-identifiziert heißt auch, an einer bestimmten
Identifikation einfach nicht festzuhalten. Dann kann
die nächste kommen.
Hat der vierte Zustand etwas mit der Selbstvergessenheit
zu tun, die man meint, wenn man über Erleuchtung
spricht, oder ist es eher diese Selbstbegegnung, diese
Wachheit im Augenblick, die in Zuständen zwei und
drei angesprochen ist? Oder kombinieren sich diese beiden
Zustände irgendwie, irgendwann?
Eigentlich möchtest du gerne wissen, ob und wenn
ja welcher obiger Zustände nun als "erwacht"
oder als "erleuchtet" bezeichnet werden könnte.
Nun, das kannst du halten wie du willst. Nichts ist
davon ausgeschlossen - alles darin enthalten. Aber die
Enttäuschung könnte groß werden, wenn
du merkst, dass, egal für welchen Zustand du dich
entscheidest, es nicht in deiner Macht liegt, diesen
Zustand herbeizuführen und vor allem: Zu HALTEN
(!!)
Deshalb sagt man, dass Erleuchtung jenseits aller Zustände
zu finden ist.